Während sich die Geschäftswelt auf die neue Normalität einstellt und in die Recovery-Phase begibt, wird Agilität zunehmend zur obersten Priorität im Finanzwesen. An dieser Stelle wollen wir uns vier Aspekte der Agilität im Finanzwesen näher ansehen und erörtern, wie Unternehmen dieses Thema heute angehen können.
Gegenwärtig wird dem Konzept der Agilität viel Aufmerksamkeit geschenkt. In Anbetracht der derzeitigen Situation überrascht dies wenig. Vor dem Hintergrund der andauernden Unsicherheit sind agile Unternehmen in der Lage, ihre Mitarbeiter und Prozesse schnell anzupassen, um einen höheren Mehrwert zu schaffen und schnell auf wechselnde Herausforderungen zu reagieren. Aus Sicht des Finanzwesens lässt sich Agilität nicht so einfach definieren.
Im vorherigen Artikel haben wir fünf zentrale Bereiche vorgestellt, in denen sich Finanzführungskräfte profilieren sollten, um ihre Unternehmen durch eine Zeit ständiger Umbrüche zu führen. Im Folgenden gehen wir auf vier spezifische Elemente der geschäftlichen Agilität ein und untersuchen die Rolle der Finanzabteilung bei der Abstimmung von Daten, Prozessen und Technologie zur Unterstützung kontinuierlicher Veränderungen.
Volatile Bedingungen erfordern eine rasche Szenario-Modellierung, damit Unternehmen schnell und angemessen auf disruptive Umbrüche im Markt reagieren können. Meine Kollegin Kinnari Desai hat kürzlich Einblicke zu Best Practices für die Modellierung von Finanzszenarien vermittelt, eine nach wie vor entscheidende Komponente für Unternehmen, die datengestützte Entscheidungen treffen und damit ihr Wachstum und ihren Erfolg in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt unterstützen möchten.
Laut dem Artikel „No Longer on Autopilot: Lessons for CFOs from COVID-19“ von McKinsey sollten sich Finanzführungskräfte auf drei oder vier unabhängige Szenarien konzentrieren, die kurz- und langfristige Umsatz- und Kostenprognosen widerspiegeln: „Jedes Szenario sollte einen Ausblick auf die Dauer eines möglichen wirtschaftlichen Abschwungs, dessen Intensität und den Übergang zum neuen Status quo bieten. Dazu sollte ein Momentum Case bzw. „Do nothing“-Szenario gehören, bei dem länderspezifische, makroökonomische Ergebnisse sowie branchenspezifische Auswirkungen berücksichtigt werden, während die Umsetzung strategischer Initiativen oder die Zuteilung von Ressourcen zu diesen Initiativen keine Rolle spielen.“
Die Szenario-Modellierung trägt wesentlich zur Verbesserung der Agilität und Flexibilität des Planungsprozesses bei, indem sie eine klare Vorstellung davon vermittelt, wie die Welt in einer Reihe möglicher Szenarien aussehen könnte. Anhand dieser Daten sollten FP&A-Führungskräfte fundierte Entscheidungen mit „What If“-Analysen auf der Grundlage mehrdimensionaler, treiberbasierter Modelle ermöglichen. Einfach ausgedrückt: Wie kann die Finanzabteilung operative Kennzahlen nutzen, um zu verstehen, in welcher kontextabhängigen Beziehung sie zu den finanziellen Ergebnissen und letztlich der Bilanz steht?
Treiberbasierte Modelle, die ein breites Spektrum finanzieller und operativer Kennzahlen umfassen – von Abonnenten und durchschnittlichem Verkaufspreis bis hin zu Produktivität und Auslastung – ermöglichen es Unternehmen, die ganzheitlichen „What If“-Analysen durchzuführen, die zur Unterstützung wichtiger und zeitnaher Entscheidungen erforderlich sind. Sensibilität in Bezug auf diese wichtigen Treiber und deren Analyse ermöglichen es der Finanzabteilung, die Auswirkungen verschiedener „What If“-Szenarien zu testen und mehrere Handlungsoptionen zu untersuchen. Daraus ergibt sich ein dynamischer und agiler finanzorientierter Prozess, der den Beteiligten hilft, Einblicke zu gewinnen und fundierte Entscheidungen zu treffen, die mit strategischen und operativen Zielen verknüpft sind.
Durch kontinuierliche Planung kann die Finanzabteilung schnell und einfach eine Neuprognose erstellen und auf aktuelle Buchhaltungsdaten zugreifen. Ein dynamisches Geschäftsumfeld setzt die Möglichkeit voraus, schnell und einfach Neuprognosen zu erstellen. Wenn ein Unternehmen einen einzigen Jahresplan mit einem Budgetierungsprozess erstellt, dessen Ausführung Monate in Anspruch genommen hat, ist jeder Plan zum Zeitpunkt seiner Genehmigung bereits veraltet. Mit einer einfachen Neuprognose können Unternehmen Zeit sparen und Diskrepanzen zwischen ihren Annahmen und den tatsächlichen Marktbedingungen verringern.
Zur Bewertung der Liquidität des Unternehmens müssen Finanzführungskräfte auf mehrere Szenarien zurückgreifen.
In Zeiten der Unsicherheit und einem sich branchenweit rasch verändernden Geschäftsumfeld rückt die Devise „Cash is King“ stärker in den Mittelpunkt. Dem Wall Street Journal zufolge begannen bereits im Februar 2020 Unternehmen, die eine Beeinträchtigung ihrer Geschäftsaktivitäten durch den Ausbruch von COVID-19 befürchteten, mit der Analyse möglicher Auswirkungen des Virus auf ihre Liquiditätsreserven und damit verbundener Probleme wie Herabstufungen der Bonität.
Laut der Umfrage „Good Decisions in Bad Times“ der globalen Managementberatung Oliver Wyman gaben 78 Prozent der Corporate Treasury-Experten an, dass die Verbesserung des Liquiditäts- und Cash-Managements für ihr Unternehmen zu den drei obersten Prioritäten bei der Krisenbewältigung zählt.
Krisen, deren Ende nicht absehbar ist, können die finanzielle Gesamtsituation eines Unternehmens erheblich beeinträchtigen und es zwingen, auf Liquiditätsreserven zurückzugreifen, zusätzliches Kapital zu beschaffen oder die Kosten zu senken, um Einkommenseinbußen auszugleichen. Diese Unsicherheit führt dazu, dass Finanzführungskräfte zur Bewertung der kurz-, mittel- und langfristigen Liquidität des Unternehmens auf mehrere Szenarien zurückgreifen müssen. Die Finanzabteilung muss sich außerdem die Frage stellen, wie viel Liquidität zur Verfügung steht und wie diese eingesetzt werden kann.
In dem Artikel „Crisis cash management: Creating valuable breathing space in a COVID-19 world“ erörtert Blair Nimmo, Head of Insolvency bei KPMG in Großbritannien, die Bedeutung eines umfassenden Überblicks über Liquiditätskontrollen und -management: „In schwierigen Zeiten kann selbst das profitabelste Unternehmen schnell unwirtschaftlich werden, wenn die Liquiditätskontrollen unzureichend sind und die Transparenz über in puncto Liquidität begrenzt ist. Finanzinstitute führen auf einen Schlag strengere Finanzierungsbedingungen ein. Ein robustes, nachhaltiges Liquiditätsmanagement in Krisenzeiten sorgt für wertvollen Freiraum zur Restrukturierung und/oder Refinanzierung. Längerfristig kann ein verbesserter Cashflow die Verschuldung reduzieren, das Mittelwachstum fördern und eine bessere Rendite für Stakeholder gewährleisten.“
Diese Strategie zur Kapitalstrukturierung kann Unternehmen auch dabei helfen, umfassendere Ziele zu erreichen, wobei sichergestellt wird, dass das Unternehmen über liquide Mittel für schwierige Zeiten verfügt; im Falle von Workday haben wir unsere bestehenden Kreditfazilitäten umstrukturiert, um unsere Bilanz zu stärken und zur Verbesserung unserer Liquiditätsposition beizutragen.
Colin Mansfield, ein Associate Director der U.S. Corporate Finance Group bei Fitch Ratings Inc., äußerte sich gegenüber dem Wall Street Journal: „Die Finanzteams werden revolvierende Kreditlinien und Kassenbestände sowie die Möglichkeit, geplante Aktienrückkäufe auszusetzen, analysieren und häufiger zum Thema machen. Dies sind die ersten Maßnahmen, die Unternehmen angesichts rückläufiger Cashflows in Betracht ziehen.“
Doch auch wenn der Finanzbereich eine konsolidierte Ansicht der liquiden Mittel anstrebt, bleibt die Umsetzung dieser Vision eine echte Herausforderung. Für die meisten Unternehmen ist Transparenz über sämtliche separate Liquiditätsquellen mit einem hohen manuellen Abstimmungsaufwand verbunden. Angesichts des rasanten Änderungstempos in der Geschäftswelt wird die Unfähigkeit, die globale Liquidität schnell zu beurteilen, zu einem echten Hindernis für Agilität im Finanzbereich. Die Finanzabteilung sollte entsprechend ausgestattet sein, um Echtzeit-Einblicke in die tägliche Liquiditätsposition eines Unternehmens zu vermitteln. Nur so gelingt es, die Investitonsstrategie zu optimieren und kritische Geschäftsanforderungen zu finanzieren.
Die Fähigkeit eines Unternehmens, seine beiden wertvollsten Güter – Personal und Kapital – dort einzusetzen, wo sie am meisten gebraucht werden, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Neben Cashflow und Liquidität müssen Unternehmen auch die Agilität ihrer Lieferantenbasis in schwierigen Zeiten genauer unter die Lupe nehmen. Ein Mangel an aktuellen Informationen über Lieferantenbeziehungen, Performance und Bedingungen schränken die Fähigkeit der Beschaffungsabteilung ein, effektive Notfallpläne umzusetzen und unmittelbaren geschäftlichen Erfolg zu erzielen.
Die Optimierung dieser Prozesse wird zunehmend wichtig, wenn Lieferanten die Auswirkungen einer Krise zu spüren bekommen. Aufgabe der Sourcing-Teams sollte es sein, die Partner mit strategischer Bedeutung zu ermitteln. Tatsächlich ist die verstärkte Abstimmung und Zusammenarbeit nicht nur mit anderen Teams, sondern auch mit der breiteren Lieferantengemeinschaft von enormer Bedeutung für den Erfolg der Lieferantenbasis.
Ein kürzlich veröffentlichter Artikel von Scout RFP, einer Tochtergesellschaft von Workday, enthält das folgende Zitat aus einer Studie von Gartner: „50 % der Fachkräfte im Beschaffungswesen halten es für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich, dass Remote-Arbeit zur Norm wird. Sourcing-Teams können mithilfe von Kollaborationstechnologien wie Team-Chat, Videokonferenzen und Document Sharing Stakeholder auf dem Laufenden halten und von jedem beliebigen Ort aus mit Lieferanten kommunizieren.“
Durch Identifizierung dieser Partner können die Führungskräfte im Sourcing-Bereich ihre Beziehungen stärken und mit ihren Lieferanten zusammenarbeiten, um für alle Beteiligten vorteilhafte Lösungen wie neu verhandelte Mindestsätze oder verlängerte Zahlungsbedingungen auszuhandeln. Die Bedeutung menschlicher Beziehungen im Lieferantenbereich kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, da stärkere Beziehungen zu Lieferanten in der Regel zu besseren geschäftlichen Ergebnissen führen. Mit Echtzeit-Kollaborationstechnologie können Sourcing-Teams ihre Beziehungen nicht nur zum Unternehmen, sondern auch untereinander sowie zu ihren Lieferanten verbessern.
Veränderungen geschehen schnell und manchmal ohne Vorwarnung. Die Fähigkeit eines Unternehmens, seine beiden wertvollsten Güter – Personal und Kapital – dort einzusetzen, wo sie am meisten gebraucht werden, kann in Krisenzeiten nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir leben in einer Welt, in der sofortige Erfolge eine Grundvoraussetzung sind. Viele veraltete Finanzsysteme sind jedoch nicht ansatzweise in der Lage, die Anforderungen eines sich schnell verändernden Unternehmens zu erfüllen. Es fehlt ihnen an Agilität und Flexibilität in Bezug auf ihre Basis und Tools, um Veränderungen schnell und einfach zu umzusetzen – ein enormer Nachteil in der heutigen Geschäftswelt.
Unternehmen müssen nicht nur in der Lage sein, ihre Mitarbeiter zu unterstützen, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, sondern auch Kursänderungen in Echtzeit vorzunehmen. Wenn Ihre Architektur und Ihre Prozesse nicht dafür ausgelegt sind, stehen Sie vor einem Problem. In Unternehmen, die durch traditionelle Systeme eingeschränkt werden, erfordern viele dieser Änderungen – beispielsweise in Bezug auf Workflows, Reportingdimensionen, Organisationsstrukturen, Entgeltabrechnungsprozesse und allgemeines Unternehmensreporting – das Eingreifen der IT-Abteilung. Diese potenziell zeitaufwändigen, komplexen IT-Projekte sind sowohl ressourcenintensiv als auch frustrierend.
Angenommen, im Finanzbereich muss schnell eine Dimension geschaffen werden, um die Kosten im Zusammenhang mit Notfallausgaben zu erfassen. Wie schnell ist dies in Altsystemen und -prozessen möglich, und was noch wichtiger ist, welche Auswirkungen hat dies auf das Unternehmen, wenn eine solche Anforderung nicht innerhalb weniger Stunden erledigt werden kann?
Abseits von Krisenzeiten erfordert der normale Geschäftsbetrieb im Finanzbereich mehr Echtzeit-Daten sowie die Fähigkeit zur Entwicklung finanzieller Parameter. Als strategischer Richtungsweiser für die übrigen Unternehmensbereiche muss die Finanzabteilung in der Lage sein, mühelos neue Dimensionen innerhalb ihres Systems zu schaffen, um diese Elemente zu analysieren und darüber Bericht zu erstatten. Darüber hinaus sollte der Finanzbereich über Möglichkeiten verfügen, neue Kontrollen einzurichten und die bestehenden Kontrollen und Workflows ohne Beteiligung der IT für diese neuen Dimensionen zu verwalten. Es geht darum, das traditionelle Paradigma zu ändern und für den Finanzbereich ein System bereitzustellen, das sowohl intuitiv als auch auf offen für Veränderungen ist – zwei Eckpfeiler der finanziellen Transformation.
Shome Mukherjee, Financial Applications Manager bei Netflix, erläutert, wie sein Unternehmen Workday einsetzt, um Veränderungen innerhalb der Organisation zu meistern: „Jedes Mal, wenn wir eine Originalproduktion veröffentlichen, müssen wir eine Rechtsform für dieses Unternehmen schaffen und die Bankinformationen usw. einrichten. Innerhalb weniger Minuten haben wir dies erledigt und unser konsolidiertes Framework entsprechend erweitert.“
In schwierigen Zeiten entwickeln Unternehmen neue Strategien, um ihre Prozesse agiler zu gestalten. Dies mag eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion sein, die aus der Notwendigkeit heraus geschieht. Doch um die anstehenden Aufgaben erfüllen zu können, setzen Unternehmen und insbesondere die Finanzfunktion Agilität ganz oben auf ihre Prioritätenliste.
Im nächsten Artikel wollen wir uns näher ansehen, wie leitende Führungskräfte detaillierte Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Datenquellen vermehrt dazu nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen und das Unternehmen mit fundierten Informationen optimal auszurichten.